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| Hiobs Spiel – TraumtänzerTobias O. Meißner Eichborn Verlag Erscheiungstermin: 08/2006 Rezension ist von 08/2006 Leserschwert-Genre: Mystery
 Hiobs Botschafter„Deine Söhne und deine Töchter aßen und tranken Wein im Hause ihres erstgeborenen Bruders; und siehe, ein starker Wind kam von jenseits der Wüste her und stieß an die vier Ecken des Hauses, und es fiel auf die jungen Leute, und sie starben; und ich bin entronnen, nur ich allein, um es dir zu berichten.“ [Ijob, 1.18f]
So steht es in der Bibel geschrieben. Und so hat es dort vor ca. 14 Jahren vermutlich auch der damals 25jährige Tobias O. Meißner gelesen. Kurz bevor er beschloss, die alttestamentarische Figur des Hiob, an deren Schicksal sich Satan in einem, vom Allmächtigen höchstpersönlich ausgeklügelten Frömmigkeits-Check so richtig austoben durfte, in die Gegenwart zu lotsen, wo er ihre Geschichte mit einem Schuss „Faust“ und einer Prise „Herakles“ abschmeckte, reichlich Mystery und Horror von astreiner Splatter-Qualität beimengte und das Ganze dann in eine literarische Form goss, die schlichtweg atemberaubend ist: „Hiobs Spiel“ hatte begonnen, und bereits die ersten Seiten des ersten Buchs „Frauenmörder“ (2002) ließen keinen Zweifel daran, dass sich dieses Spiel an keine Regeln hält; weder inhaltlich, noch formal, noch stilistisch. Hiob Montag ist ein literarischer Held, der geboren wurde, um den faulen Kompromiss das Fürchten zu lehren. Sein Spiel ist eine Wette, der er mit dem Bösen, dem wirklich Bösen, eingeht. Wetteinsatz ist die Welt. Gewinnt Hiob, wird sie gerettet, verliert er, ist auch die Welt verloren. Um das Böse zu besiegen, muss Hiob ihm allerdings in all seinen Fratzen, quer durch Raum und Zeit, in die Augen schauen, es nicht nur bei den Hörnern packen, sondern auch an den Eiern. Er, der Magier des Monströsen, muss die Qualen der Menschheit bis zur Neige trinken, die dunkelsten Kapitel der Geschichte blind aufschlagen, Perversionen bis zum gierig gähnenden Abgrund folgen, der brutalen Dummheit des Daseins die blank glänzende Stirn bieten. Und sich seinen eigenen Ängsten auf engstem Raum stellen.
Die formale Akrobatik, die brachiale Sprachkraft und nicht zuletzt die expliziten Gewaltexzesse – die das Eichborn-Lektorat nach eigenen Angaben drei Anläufe kostete, um über die ersten vierzig Seiten zu kommen – sorgten selbstredend dafür, dass Meißners bombastisches Hiob-Projekt, das der Autor mit der Nonchalance eines Maniacs auf exakt fünfzig Jahre angelegt hat, am stehenden Gewässer des deutschsprachigen Literatur-Establishment vorbeigeschleust und mit einem Hardcore-Provokations-Stempel direkt durch die Underground-Pipelines in die Subkultur gepumpt wurde. Völlig zu Unrecht. Denn wie schon Teil eins besticht auch der „Traumtänzer“ vor allem durch seine hohe und dichte literarische Qualität, die es Meißner ermöglicht, seine zügellose Phantasie-Orgie punktgenau auf den Boden zu bringen. Wobei das keineswegs überrascht, weil Tobias O. Meißners Ausnahmetalent bereits mehrfach verbucht ist: etwa in dem fulminanten Beat’ em Up-Spektakel „Paradies der Schwerter“ (2004), das einen wuchtigen Martial-Arts-Meilenstein in die Fantasy-Peripherie pflanzte. Oder in dem erstaunlich erdigen „Mammut“-Zyklus, mit dem der Autor derzeit – Teil III, „Das vergessene Zepter“, erscheint im November bei Piper – den trivialen Genre-Boden mit brillanter Brisanz umpflügt. Tobias O. Meißner ist nicht nur der unberechenbarste Schriftsteller, der gegenwärtig durch den deutschen Sprachraum wandelt, sondern auch einer der allerbesten. Wer über halbwegs befestigte Magenwände verfügt, sollte sich daher auf „Hiobs Spiel“ einlassen – selbst auf die lauernde Gefahr hin, dass es ihn nicht mehr loslässt …
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