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Frische Goldjungs / Wladimir Kaminer (Hg)
Ist schon immer wieder verblüffend, wie der Hase so hoppelt. Da jaulen uns Verleger und Kritiker ...

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Küche totalitär / Wladimir  Kaminer



Küche totalitär

Wladimir Kaminer


Manhattan Verlag
Erscheiungstermin: 02/2006
Rezension ist von 01/2006
Leserschwert-Genre: Sachbuch

Totalitär komisch

Als Wladimir Kaminer sein viertes Buch „Die Reise nach Trulala“ veröffentlichte, widmete ihm Dieter Hildebrandt in der Zeit ein sehr feines Portrait, in dem er den russisch-deutschen Kultautor einen „Candide der Normalität“ nannte – und damit einen bezeichnenden Volltreffer landete. Zum Kern des Phänomens Kaminer dringt allerdings ein anderer Satz aus diesem Artikel: „Kaminer ist das wunderbarste Beispiel gelungener Integration.“ Dem wage ich zart zu widersprechen. Stimmt schon, der Lebenslauf Wladimir Kaminers liest sich wie die Wunschliste einer jeden Immigrationsbehörde, aber auf der anderen Seite hat sich das 1967 in Moskau geborene Multitalent seine Fremdheit nicht nur bewahrt, sondern diese offenbar ganz bewusst kultiviert. Als Kaminer im Jahr 2000, nur zehn Jahre nachdem er am Prenzlauer Berg angekommen war, sein erstes Buch „Russendisko“ präsentierte, galt er – vor allem dank der legendären, gleichnamigen DJ-Events im Kaffee Burger – zwar bereits als lokale Größe der Multikulti-Szene Berlins, an der allgemeinen Verblüffung über die subtil ziselierten Großstadtminiaturen änderte das allerdings wenig; wobei weniger die Frage, wie es möglich sei, dass ein Autor, der seine Deutschkenntnisse zu einem nicht unerheblichen Teil der sowjetischen Fibel „Deutsches Deutsch zum Selberlernen“ verdankt, derart präzise geschliffene Texte aus dem Handgelenk schlenzen kann, im Vordergrund stand, sondern jene nach dem sozio-kulturellen Hintergrund – denn Wladimir Kaminers satirische Anekdoten kitzelten ihre unwiderstehliche Komik aus den tiefsten Alltagsfugen deutscher Befindlichkeit. Wie macht der das? Eine Frage, die auch fünf Jahre und ebenso viele Bestseller später ziemlich offen durchs Feuilleton geistert.
Des Rätsels Schlüssel könnte darin liegen, dass es diesen Schlüssel gar nicht gibt. Sondern eben einen freien Blick durchs Schlüsselloch. Wladimir Kaminer, der seine Arbeit gerne als Wissenschaft definiert, ist ein begnadeter Beobachter und akribischer Zuhörer, ein Gesellschafts-Empiriker, der genau weiß, dass die Genauigkeit seines Forschens maßgeblich von der Distanz zum Forschungsobjekt abhängt. Und das gilt nicht nur für seine neue Heimat, sondern auch für seine alte – wie nicht zuletzt sein druckfrisches Buch „Küche totalitär“ auf himmelschreiend komische Art beweist.
Kaminer begibt sich darin auf eine kulinarische Reise durch die ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion, von Armenien bis Südrussland, von „scharf-kaukasisch“ bis „gesund-baltisch“. Zu jedem Kapitel gibt es in würziger Kürze eine Einführung in Historie und Sitten der jeweiligen Republik, gefolgt von einer unvergesslichen Begegnung mit der landesüblichen Cuisine, abgerundet mit passenden Rezepten von Kaminers Frau Olga (die für die Echtheit der Gerichte ihre Hand ins Herdfeuer legt).
Und bereits in der Einleitung lässt der wachsende Druck auf das Zwerchfell keinen Zweifel daran, dass sich hier wunderbar artenreiche Jagdgründe für Kaminers subversive Ironie auftun, ein goldenes Zwischenzeilenland, in dem sich sein unvergleichlicher Humor zur vollen Reife entfalten kann. Allein im Kapitel über Sibirien serviert der Russendisko-DJ mehr sprachliche Delikatessen als alle deutschen Popliteraten zusammen – und die sind bekanntlich nicht alle schlecht. Fazit: Ein großartiges Kochbuch für Stilgourmets.
Bewertung

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